Auszeit in Tschechien: Back to the Roots
Wer uns kennt, weiß: De zwoa sind a bissl viel unterwegs und beruflich schon recht eingespannt 😵. In einer Zeit wo Steff gerade erfolgreich sein PhD-Studium 🎓 abgeschlossen hat und Karin mittendrin 👩🎓 ist, haben wir beschlossen: Es ist höchste Eisenbahn für eine Auszeit!
Dieses Mal haben wir uns wieder für a extrem spannendes Ziel entschieden: Tschechien 🇨🇿. Dafür gibt es zwei Gründe:
- Es gibt sauviel zu entdecken hier: Prag soll wahnsinnig schön sein, die Böhmische Schweiz lockt mit gemütlichen Wanderungen durch eine wunderschöne Sandsteinlandschaft, und wir können uns mal anschauen wo/wie tschechisches 🇨🇿 Bier 🍺 gebraut wird.
- Ein erstaunlicher Zufall ist: Wir haben beide einen Opa, der ein sogenannter Sudetendeutscher ist und nach dem 2. Weltkrieg aus seiner Heimat vertrieben wurde. Funfact: deren Heimatorte sind nur ca. 70 km (1 h Fahrzeit) voneinander entfernt.
Auf geht’s! Lass uns gemeinsam Tschechien erkunden!
Anreise
Es wäre extrem untypisch für uns zwei, wenn wir einfach ganz direkt von München nach Prag starten würden… das wäre ja auch ein bisserl langweilig! Außerdem war gerade Allerheiligen, das bedeutet für Karin: Ab nach Radstadt und dort die jährliche Friedhof-Rallye absolvieren. Nach mehreren Kuchen 🍰🥮🍰🥮 mit der Familie geht’s ab in den Zug 🚂 nach Passau (2x Umsteigen und alles klappt super. Keine Ahnung warum beim Steff immer alles schief geht… 🫣). In Passau holt Steff Karin dann ab und gemeinsam fahren wir nach Grafenau, wo Steff die hiesigen Allerheiligen-Rituale mit genau so viel Kuchen 🍰🥮🍰🥮 absolviert hat.
Jetzt kann’s wirklich losgehen. Wir packen noch die letzten Utensilien - vorzugsweise Kaffee 🫘 - ein und starten an einem recht trüben Herbsttag durch den Bayerischen Wald über die Grenze in den Böhmerwald Šumava. An einer kleinen Tankstelle machen wir kurz Biesel-Pause. Steff packt schon wieder seine Tschechisch Skills (mit sehr schlechtem polnischen Akzent) aus und organisiert uns a Weckerl (🇩🇪: belegtes Brot) zum broudln.
Pilsen
Zufälligerweise führt der Weg von Steffs Heimatort in die tschechische Hauptstadt Prag (🇨🇿: Praha) direkt vorbei an der Traditionsbrauerei Pilsner Urquell 🍺. Eh kloa, dass wir da ned einfach vorbei fahren, sondern unseren ersten Halt mit einer Tour durch die Brauerei verbinden. Weil wir aber noch a bissl Zeit haben bevor die Führung losgeht, spazieren wir noch eine kleine Runde durch Pilsen (🇨🇿: Plzeň), wo wir gleich mal einen fetten Weihnachtsmarkt entdecken. Eigentlich schaut das relativ ähnlich aus wie bei uns. Es gibt lokale Schmankerl wie bramboráky (🇩🇪: Kartoffelpuffer, BY: Reiberdatschi), koláč (🇦🇹: Golatschen, 🇩🇪: entspricht „Plundergebäck” (Karin findet den Ausdruck ziemlich öd)), und natürlich auch ungarischer 🇭🇺 Baumkuchen… Jaaa… wir wissen es: Das ist komisch! Aber an jeder Ecke findet man hier Baumkuchen, der ja eigentlich aus Ungarn kommt. Das hat auch unser Prag-Guide Brandon bestätigt 🤔.
Leider war das Wetter an dem Tag a bissl, die Niederbayern würden sagen: „lusad”, (🇦🇹: frieselig, greislich), darum sind wir nur kurz durchgeschlendert und haben dann die Richtung zur Brauerei eingeschlagen. Dabei haben wir natürlich auch die Stadt ein bisserl auf uns wirken lassen… Do is echt überall Kopfsteinpflaster und die Leid fahren an ziemlichen Ruaß zam 🤬?! Bei der Brauerei angekommen bekamen wir eine Führung durch die wirklich riesige historische Brauerei inkl. jeder Menge Eindrücke.
Random Brauerei Infos zum Ausklappen
Abfüllanlage, die aus mehreren Bändern besteht für Flaschen und Dosen für verschiedene Biersorten · Wasserturm zur eigenen Quelle, der irgendwie auch ein Leuchtturm ist, damit ihn jeder gleich sehen kann · Historische Bottiche (Maische und Gewürzpfannen oder so ähnlich) · Aktuelle Braukessel · Stylische Präsentation der Zutaten (Funfact: die Hefe wird in 3? verschiedenen Tresoren auf der ganzen Welt verstreut aufbewahrt - falls mal was hin wird) · der Hopfen kommt btw. ausschließlich aus Saaz/Žatec (oha: Karins Opa lässt grüßen, der kommt nämlich von dort) · Lagerhallen im Keller inkl. Bierverkostung (Laut unserem Guide ist Bier natürlich gesundheitsförderlich: Für Mädels empfiehlt sie, oder die Brauerei - keiner weiß es so genau - 0,3 l täglich und für Jungs 0,5 l). Wir sehen diese Empfehlungen natürlich eher kritisch, aber das Bier ist schon richtig geil dort - vor allem das ganz frische ausm Keller.Nach der Führung gönnen wir uns das erste tschechische Essen direkt in der Brauerei: Steff holt sich Gulasch (🇨🇿: guláš) selbstverständlich mit böhmischen Knödeln und Karin isst ein Schnitzerl mit Kartoffelsalat.
Beides schmeckt natürlich ultimativ geil, auch wenn es eher viel ist. Wir haben nämlich gelernt: In Tschechien gibt es wohl ein ungeschriebenes Gesetz, dass immer sechs SECHS! Scheiben Knödel serviert werden müssen (Disclaimer zum Bild: In Pilsen sind die Leute etwas kniggada (🇩🇪: geizig) und servieren doch nur vier Scheiben… 🤣). Karin hat auch gleich einen ersten Flashback: „Der Salat, der schmeckt einfach genau gleich wie der Mayonnaise-Salat von der Oma!” Erst zu einem späteren Zeitpunkt, beim Telefonieren mit der Mama erinnert sie sich: Stimmt, ja. Zu Weihnachten gab es früher bei der Oma immer genau dieses Gericht und - haltet euch fest: die Oma hat diesen Salat von ihrer Schwiegermutter gelernt - der Frau die damals nach dem zweiten Weltkrieg mit Opa aus Saaz flüchten musste… krasser Scheiß!
Böhmische Knödel sind bei Karin daheim eigentlich nix Ungewöhnliches. Karins Mama hat sie wohl von der Tante Emma, oder ihrer Oma gelernt und macht sie gerne zu Szegediner Gulasch oder andern Braten-Gerichten. Alle lieben sie. Komischerweise findet man sie sonst nirgends so recht in Karins Heimat, dem Pongau. Kein Wunder! Die Knödel stammen aus Böhmen!
Vor Ort lernen wir:
- Es gibt zwei verschiedene Sorten: mit und ohne Knödelbrot. Das hängt wahrscheinlich auch irgendwie mit der Region wo sie gekocht werden zusammen.
- Man kann sie auch abgepackt im Supermarkt kaufen.
- Sie kommen immer in 6 Scheiben pro Portion
- Sie können auch mit Kartoffelknödeln kombiniert werden - aber die Anzahl 6 Stk. ist offenbar Pflicht…
Ein authentisch wirkendes Rezept für böhmisches Knödel findet sich hier.
Prag
Nach der Brauerei-Tour hat Steff uns souverän nach Prag (🇨🇿: Praha) gefahren und Karin hat versucht ihn so gut sie konnte durch die Stadt zu lotsen. … aber ja… diese Tschechen… das sind übelst unlustige Autofahrer 😤! Verdammt schnell sind die unterwegs 🏎️… Naja… we did it 👍! Jetzt war nur die Frage: Was machen wir mit unserer Zeit in Prag ⏳? Die Stadt ist riesig und wunderschön! Das liegt unter anderem auch daran, dass sie nie durch einen Krieg zerstört wurde… Es gibt sooo viel zu sehen! Wie wollen wir vorgehen? Dank einem Tipp von Karins Kollegin haben wir uns für eine Free Walking Tour entschieden (vielen Dank, liebe Johanna!).
Das funktioniert so:
- Man meldet sich bei einer Tour (in unserem Fall: Prague Old Town & Josefov) an.
- Dann geht man zum vereinbarten Treffpunkt und trifft den Guide, der die Tour mit dir machen wird.
- Man genießt die Tour - hoffentlich…
- Zum Schluss gibt man dem Guide so viel €€€ wie einem die Tour wert war.
Ein sehr cooles Konzept finden wir.
Unser Guide war Brandon, ein Amerikaner 🇺🇸 aus Kalifornien, der vor über 10 Jahren nach Prag ausgewandert ist, um sein Single-Leben und verschiedenste Vorteile in Europa 🇪🇺 bzw. Prag 🇨🇿 zu feiern. Am zweiten Tag in Prag lernte er seine Frau kennen und lebt seither glücklich mit ihr und gibt eben solche Free Walking Tours. Wir erlebten extrem coole 2,5 Stunden mit ihm, in denen wir gemeinsam mit anderen Touris aus Deutschland 🇩🇪, Australien 🇦🇺, Schottland 🏴, Kanada 🇨🇦 oder den USA 🇺🇸 durch unterschiedliche Ecken der Altstadt schlenderten und die perfekte Mischung aus Infos und Tipps für die Stadt bekamen.
Weil uns das Ganze so gut gefallen hat, waren wir am nächsten Tag gleich wieder am Start und gingen mit Brandon über die Karlsbrücke (🇨🇿: Karlův most) zur Prager Burg (🇨🇿: Pražský hrad). In der Prager Burgeranlage zeigte er uns mit einem peinlich berührten Augenzwinkern und unter schallendem Gelächter einen amerikanischen Heiligen: St. Arbucks 😜.
Einige unserer Highlights:
Prager Metronom (🇨🇿: Metronom na Letné): Die Kommunisten hatten auf diesem Hügel eine sehr große Stalin Statue errichtet. Dafür brauchten sie so lange, dass Stalin die Fertigstellung nimmer erlebte. Die Prager fanden das Monument eher schräg und haben es kurzerhand wieder abgerissen. Stattdessen wurde auf den Fundamenten der Stalin Statue ein großes Metronom errichtet. Das Metronem steht für den unerbittlichen Lauf der Zeit und als Mahnmal für die Vergangenheit bzw. die verlorene Zeit unter dem sowjetischen Einfluss.
Karlsbrücke (🇨🇿: Karlův most): Die Karlsbrücke ist die älteste erhaltene Brücke über den nordwärts fließenden Fluss Moldau und eine der ältesten Steinbrücken Europas. Sie gilt als Wahrzeichen der Stadt Prag. Auf den Fotos ist die Brücke jeweils im Hintergrund erspähbar… 🙂
Prager Burg (🇨🇿: Pražský hrad): Die Prager Burg ist die ehemalige Residenz der Könige von Böhmen im Hradschin (Burgviertel) in der tschechischen Hauptstadt Prag. Mit einer Fläche von fast 70.000 Quadratmetern ist sie die größte geschlossene Burganlage der Welt.
Karls-Universität (🇨🇿: Univerzita Karlova): Die Karls-Universität ist die größte Universität Tschechiens und die älteste Universität Mitteleuropas.
🇨🇿: Ovocný trh: Hier trug sich scheinbar eine recht spannende Geschichte zu. Mozarts „Figaros Hochzeit” kam in Wien lt. Brandon nicht soooo wahnsinnig gut an. Aber in Prag war es ein riesiger Erfolg (40-minütiger Applaus). Das war wahrscheinlich ein Grund dafür, dass Mozart eine besonders gute Beziehung zu Prag hatte. Karin erkannte das Tonbeispiel von Brandon gleich und gewann dafür eine hübsche Postkarte… - Danke Brandon.
Prager Rathausuhr (🇨🇿: Pražský orloj): Die Rathausuhr, die eigentlich gar nicht soooo spektakulär war - trotzdem irgendwie cool.
Das Jüdische Viertel inkl. der Synagogen und dem alten Friedhof: Es ist einfach so heftig was dieser Typ mit dem Bärtchen an so vielen Orten in Europa angerichtet hat!
Eurotrip: Ein möglicherweise eher furchtbarer Film, wo ein paar Ami-Kids durch Europa reisen. Obwohl im Film die Stadt Prag nicht vorkommt, wurde alles dort gedreht und Städte wie Paris, Amsterdam oder Venedig inszeniert. Das zeigt, wie abwechslungsreich und schön diese Stadt einfach wirklich ist.
Was ebenfalls extrem spannend ist: Die Österreichische Kaffeekultur mit „Espresso”, „Verlängerter” und „Apfelstrudel” gibt es in Prag! Wie wir herausgefunden haben liegt es natürlich an den Habsburgern, die einmal in Prag unterwegs waren. Sogar das typisch silberne Tablett und das obligatorische Glas Wasser wird hier in Prag serviert! Ein Stück Kulter, das es nicht nach Bayern geschafft hat… 😅
Was für uns aber niemals fehlen darf, wenn wir eine Stadt besuchen, ist einfach losspazieren, die Atmosphäre der Stadt aufsaugen und schauen wohin es einen treibt. Das haben wir auch dieses Mal gemacht… Was allgemein auffällt: Die Tschechen neigen bei Installationen aller Art eher zum „improvisieren” als wir Österreicher bzw. Deutsche.
Zum Abschluss: Warum ist hier eigentlich üüüüüüberall Kopfsteinpflaster???? Wir sind zu faul dies zu recherchieren… 🙃
Böhmische Schweiz
Schon a Zeiterl bevor wir uns dann wirklich dazu entschlossen nach Böhmen zu cruisen, hat Steff mal sowas gesagt wie: „Hee… lass uns in die Böhmische Schweiz fahren! Do is voi schä und da gibt’s so geologische Strukturen, die a bissal so ausschaun wie der Bryce Cannyon. Nur halt ned in rot!” Karin dachte sich: „Jo kloooaaar!” Letzten Endes haben wir in Böhmisch Leipa (🇨🇿: Česká Lípa) ein günstiges Airbnb gefunden. Nicht allzu weit weg von Prag und in guter Lage.
Es hat sich bestätigt: Überall, wo wir hier hinkommen und eigentlich braucht man nur a bissl im Wald spazieren gehen, findet man extrem coole Felsformationen. Wir wollten dem natürlich wieder mal a bisserl stärker auf die Spur gehen und versuchen zu verstehen, wie das Ganze hier so entstanden ist. Vorab: Es ist kompliziert! Wie so oft bei solchen geologischen Prozessen ist das ein Zusammenwirken von verschiedenen Prozessen.
Gerade weil es so kompliziert ist, versuchen wir hier einen gaaanz groben Überblick zu geben.
Über weite Strecken gibt es hier den sogenannten Elbsandstein. Der hat sich vor 85-100 Millionen Jahren am Grunde des Meeres gebildet. Es haben sich also sandige Elemente am Boden gesammelt und gefestigt. Viel später - das Meer hat sich verzogen - kam dann Erosion durch Sonne, Wind und Regen dazu. Dadurch bildeten sich eben Fugen und Spalten in diesem „Elbsandsteingebirge”. Und dann gab es auch noch Vulkanismus… der ist dafür verantwortlich, dass sich vulkanische, also härtere Ablagerungen sammelten. Weil diese eben härter sind erodieren diese langsamer. Dadurch bildeten sich unfassbar coole Felsformationen inkl. Höhlen, Nischen, Tunnel oder Sanduhren wie sie z. B. im Felsenlabyrinth in Tisá zu finden sind.
Wer noch mehr Infos braucht: Hier gibt’s noch a bissl was.
Wir haben mehrere dieser Felsen bewandert:
Und dann gabs da noch - BASALT! - und zwar richtig schönen Basalt! Von der Reise nach Island wissen wir: der hat definitiv was mit Vulkanismus zu tun. Der Herrenhaus Felsen ist ein wunderschönes Beispiel dafür.
Ahnenforschung
Zwei Knallers sind also unterwegs in Tschechien. Beide haben einen Opa mit böhmischen Wurzeln, aber nicht wirklich so viel Ahnung wie das damals so alles zugegangen ist. Wir können uns gut vorstellen, dass die Erfahrungen die unsere Opas und deren Familien während der Vertreibung1 2 3 gemacht haben unfassbar heftig waren. Wir vermuten nun, dass das der Grund war, warum darüber auch nie so wirklich viel gesprochen wurde.
Natürlich gibt es in unseren Familien ein paar Geschichten, die wir schon kennen, aber so richtig greifbar ist es nicht. Der Opa von Karin hat manchmal von einem Theater in Saaz erzählt. Er war auch irgendwie musikalisch und spielte, wenn ich mich recht erinnere, Oboe und Violine. Die Familienverhältnisse sind kompliziert - alle verstreut irgendwo in Österreich. Zur Familie gehören verschiedene Menschen, die unterschiedliche Erfahrungen mit den damaligen „Organisationen und Strukturen” gemacht haben. Die Familie weiß natürlich Bescheid über die gemeinsamen Erfahrungen, aber man entscheidet sich dafür lieber nicht darüber zu sprechen. Karins Opa Hans musste ungefähr 13 Jahre alt gewesen sein als er seine böhmische Heimat verlassen musste. Er konnte sich sicherlich an sehr viel erinnern, aber so richtig hat es sich für Karin nicht ergeben mit ihm darüber zu reden. Das heißt Karin, möglicherweise auch alle anderen, jüngeren Nachkommen kennen die Geschichte allenfalls oberflächlich.
Bevor wir aber diese Reise starteten, hat Karin noch 1x kurz bei ihrer Mama nachgefragt und hat Geburts-, Tauf- und Heiratsurkunden von Opa und verschiedenen Vorfahren mitgenommen. Zunächst schauten diese Informationen wie ein wildes Sammelsurium aus. Auch, weil die Dokumente teilweise 3-Sprachig (Deutsch 🇩🇪, Tschechisch 🇨🇿 und Latein ✝️) und handschriftlich verfasst waren. ABER: wir konnten möglicherweise einen Teil von Karins Stammbaums bis ca. 1830 rekonstruieren!
Naja - was macht man nun auf den Spuren der eigenen Vorfahren, wenn man in einem Land ist, wo tausende Deutsche vertrieben wurden, man die aktuelle Amtssprache nicht spricht, und man selbst eigentlich gar nicht so recht weiß, was man finden will? Wir haben uns dafür entschieden, die beiden wohl wichtigsten Orte für unsere Opas einfach zu besuchen: Auscha (🇨🇿: Úštěk) und Saaz (🇨🇿: Žatec).
Wir sind einfach durch die Orte spaziert und haben die Orte auf uns wirken lassen. Die Stimmung ist etwas bedrückend, gerade bei den verfallenen Gebäuden mit zweisprachigen Fassaden wird die Geschichte wieder fast greifbar. Wir haben möglicherweise das Elternhaus von Steffs Opa gefunden.
In Saaz standen wir vor dem Theater, von dem Karins Opa wohl erzählt hat. Und dann waren wir noch auf den beiden Friedhöfen in Auscha und Saaz mit den Namen der Vorfahren im Hinterkopf. Diese Friedhöfe sind schon erstaunliche Zeugen der Zeit. Während Karin es aus ihrem Heimatort eher kennt, dass alte Gräber, von denen es keine Nachfahren mehr gibt, aufgelöst werden, schaut das hier ganz anders aus. Neben ganz neuen und offensichtlich gepflegten Gräbern (immerhin war auch hier Allerheiligen 😉) mit meist tschechischen Namen, gibt es hier auch richtig alte, verfallene Gräber. Auf den Grabsteinen liest man auf diesen Gräbern vermehrt deutsche Namen; sofern diese noch lesbar sind und nicht mit Efeu überwuchert sind. Inschriften nach 1940 gibt es hier aber kaum. Wirklich heftig.
Einige Fragen bleiben offen, wie zum Beispiel: Warum landete Steffs Opa nach der Vertreibung in Kulmbach (Oberfranken) und Karins Opa in Radstadt (Pongau)? Mittlerweile wurden einige Institution gegründet, die die Vertreibung der Sudetendeutschen thematisieren. Es gibt beispielsweise den Verein Sudetendeutsche Landsmannschaft – Bundesverband – e.V., die Stiftung Saazer Heimatmuseum oder das 2020 eröffnete Sudetendeutsche Museum in München. Bei der nächsten Gelegenheit werden wir einmal das Sudetendeutsche Museum in München besuchen und die alten Dokumente von Karins Familie mitbringen. Vielleicht kann man so mehr zu dem Thema und unseren Wurzeln herausfinden.
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https://www.deutschlandfunkkultur.de/vor-70-jahren-die-organisierte-vertreibung-der-102.html ↩︎
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https://www.deutschlandfunk.de/tschechien-sudetendeutsche-heimatvertriebene-trauma-versoehnung-100.html ↩︎
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https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/archiv/537235/die-vertreibung-der-deutschen-ein-unbewaeltigtes-kapitel-europaeischer-zeitgeschichte/ ↩︎